Einleitung
Kinderehen gehören zu den besorgniserregendsten Phänomenen im Irak und in anderen Ländern mit starkem religiösem Einfluss. Obwohl es Gesetze gibt, die versuchen, dieses Problem zu bekämpfen, zeigt die Realität, dass viele Mädchen bereits im Alter von 9 bis 13 Jahren zwangsverheiratet werden. Diese Praxis verletzt ihre Rechte, beeinträchtigt ihre körperliche und psychische Entwicklung und hält sie in einem System der Ausbeutung und Gewalt gefangen.
Die rechtliche Situation im Irak und der Umgang mit Kinderehen
Nach irakischem Zivilrecht beträgt das gesetzliche Mindestalter für die Eheschließung 18 Jahre. Allerdings kann dieses Alter mit Zustimmung der Eltern und eines Richters auf 15 Jahre herabgesetzt werden. Gleichzeitig gelingt es religiösen und Stammesgruppen, das Gesetz durch inoffizielle Ehen vor islamischen Gerichten zu umgehen. Im Jahr 2017 versuchten Gesetzgeber aus islamistischen Parteien, ein Gesetz zu verabschieden, das Ehen für Mädchen ab 9 Jahren erlauben sollte, basierend auf der Scharia. Das Gesetz wurde nicht verabschiedet, doch der Versuch zeigt den Einfluss extremistischer religiöser Gruppen im Land.
Hauptgründe für das Phänomen
Der Einfluss der Religion und der islamischen Scharia
In konservativen islamischen Kreisen wird die Kinderehe als legitime Praxis angesehen, die sich auf religiöse Traditionen stützt. Nach der Scharia tritt die Geschlechtsreife von Mädchen mit der ersten Menstruation ein, weshalb einige Geistliche Ehen ab 9 Jahren erlauben. Diese Sichtweise dient als Grundlage für die Rechtfertigung von Kinderehen.
Armut und wirtschaftliche Not
Im Irak verheiraten viele Familien ihre Töchter in jungen Jahren, um die finanzielle Belastung ihrer Erziehung zu vermeiden. In einigen Fällen erhalten Eltern Geld für ihre Tochter, wodurch die Ehe einer Art Verkaufsabkommen ähnelt.
Mangelnde Bildung und fehlendes Bewusstsein für Frauenrechte
In vielen Teilen des Irak wird die Bildung von Frauen als zweitrangig gegenüber Ehe und Familie angesehen. Ungebildete Eltern erkennen oft nicht den Schaden, den sie ihren Töchtern durch frühe Heirat zufügen.
Kriege und Flüchtlingskrisen
Die zahlreichen Kriege im Irak, darunter die ISIS-Invasion von 2014 bis 2017, haben Notlagen geschaffen, in denen viele Mädchen zwangsverheiratet wurden, um sie angeblich vor Vergewaltigung oder Gefangenschaft zu „schützen“.
Folgen der Kinderehe
Gesundheitsrisiken und Schwangerschaft in jungen Jahren Mädchen, die vor dem 18. Lebensjahr schwanger werden, haben ein erhöhtes Risiko für komplizierte Geburten, schwere Blutungen, innere Risse und sogar den Tod. Laut der Weltgesundheitsorganisation sind Schwangerschaftskomplikationen die häufigste Todesursache bei Mädchen unter 15 Jahren in Entwicklungsländern.
Gewalt und sexuelle Ausbeutung
Viele Mädchen, die früh verheiratet wurden, berichten von körperlicher und sexueller Gewalt durch ihre älteren Ehemänner. Oft haben sie keine Möglichkeit zu fliehen, da sie isoliert oder vollständig unter der Kontrolle ihrer Familien stehen.
Abbruch der Schulbildung und Verstärkung des Armutskreislaufs
Früh verheiratete Mädchen müssen in der Regel die Schule verlassen und auf Bildung verzichten. Dadurch fehlen ihnen später die notwendigen Fähigkeiten für den Arbeitsmarkt, sodass sie finanziell von ihren Ehemännern abhängig bleiben.
Höheres Risiko für Missbrauch nach einer Scheidung
Viele geschiedene Mädchen geraten in eine schwere wirtschaftliche und psychische Notlage. Einige sind gezwungen, auf der Straße zu leben oder in die Prostitution einzusteigen, um zu überleben.
Echte Beispiele für Kinderehen im Irak
Der Fall von Rim, 10 Jahre alt
Rim, ein Mädchen aus Mossul, wurde mit 10 Jahren mit einem 40-jährigen Mann verheiratet. Nach wenigen Monaten wurde sie mit schweren inneren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Anstatt sie zu schützen, wurde sie jedoch zurück zu ihrem Ehemann geschickt, der weiterhin Gewalt gegen sie ausübte.
Jesidinnen, die von ISIS entführt wurden
Während der ISIS-Herrschaft in Nordirak nutzte die Terrororganisation Kinderehen als Teil ihres Systems der sexuellen Versklavung. Tausende jesidische Mädchen, einige im Alter von 9 bis 12 Jahren, wurden an ältere Männer verkauft und mehrfach vergewaltigt.
Amal, 11 Jahre alt, nahm sich nach einer Zwangsheirat das Leben
Amal wurde mit 11 Jahren zwangsverheiratet, um die „Ehre“ ihrer Familie zu wahren. Nach einer Phase schwerer Misshandlungen versuchte sie zu fliehen, wurde aber von ihrer Familie zurück zu ihrem Ehemann gebracht. Wenige Tage später beging sie Selbstmord, indem sie Gift schluckte.
Der Kampf gegen das Phänomen – gibt es Hoffnung?
Internationaler Widerstand und diplomatischer Druck
Menschenrechtsorganisationen fordern die irakische Regierung auf, härtere Strafen gegen Kinderehen zu verhängen. Allerdings sind die religiösen Gruppierungen im Land besonders einflussreich.
Gesetzesänderungen und Durchsetzung
Obwohl das gesetzliche Heiratsalter bei 18 Jahren liegt, wird das Gesetz kaum durchgesetzt. Die Behörden fürchten oft Konfrontationen mit religiösen Führern und Stammesältesten, die Kinderehen befürworten.
Bildung und Stärkung der Frauenrechte
Zivilgesellschaftliche Organisationen im Irak versuchen, die Bildung von Frauen zu fördern und Schutzunterkünfte für gefährdete Mädchen einzurichten. Doch dieser Prozess ist langwierig und schreitet nur langsam voran.
Fazit und Schlussfolgerungen
Kinderehen im Irak sind nicht nur ein religiöses oder juristisches Problem, sondern eine tiefgreifende soziale Krise, die jedes Jahr Tausende von Mädchen betrifft. Es handelt sich um ein ernstes Phänomen, das zu andauerndem Leid von schutzlosen Mädchen führt, die ein Leben voller Ausbeutung, Schmerz und Hoffnungslosigkeit ertragen müssen.
Ohne gesellschaftlichen Wandel, internationalen Druck und umfassende Bildungsmaßnahmen werden weiterhin viele Mädchen in Ehen gezwungen, die sie sich nicht ausgesucht haben – ohne Zukunft und ohne Hoffnung auf Veränderung. Westliche Regierungen, Menschenrechtsorganisationen und irakische Behörden müssen zusammenarbeiten, um Kinderehen zu verhindern und jedem Mädchen das Recht auf eine sichere Kindheit, Bildung und Selbstverwirklichung zu garantieren.